Landtag: Rot-Grün will gegen sexualisierte Gewalt im Netz vorgehen

Nacktfotos und gefakte Sexvideos: Die Digitalisierung bringt auch neue Formen der sexualisierten Gewalt mit sich. Niedersachsens Regierungsfraktionen wollen Betroffene gezielter unterstützen.

SPD und Grüne im niedersächsischen Landtag fordern mehr Unterstützung für die Opfer von sexualisierter Gewalt im Internet. „Diese Form der digitalen Gewalt greift nicht nur massiv in die Privatsphäre der Betroffenen ein, sondern stellt auch eine grundlegende Bedrohung für die sexuelle Selbstbestimmung und das Sicherheitsgefühl in unserer Gesellschaft dar“, sagte die SPD-Abgeordnete Antonia Hillberg. 

Konkret fordert die rot-grüne Regierung eine zentrale Informationsstelle für Opfer. Betroffene sollen dort über ihre Erlebnisse sprechen können. Zudem sollen sie informiert und über ihre Rechte und Möglichkeiten aufgeklärt werden. Der Staat habe die Pflicht, für den Schutz der Bürgerinnen und Bürger zu sorgen – im analogen wie im digitalen Raum, betonte Evrim Camuz von den Grünen.

AfD: Antrag erpresst das Parlament moralisch

Aus der Opposition gab es dafür zum Teil heftige Kritik. Die CDU-Abgeordnete Martina Machulla sagte, eine solche Informationsstelle möge ein erster Schritt in die richtige Richtung sein. „Doch wir müssen sicherstellen, dass eine solche Stelle dann auch mehr als eine symbolische Maßnahme bleibt.“ Man müsse das Thema viel umfassender angehen, forderte Machulla.

Die AfD-Abgeordnete Vanessa Behrendt warf der Landesregierung Ambitionslosigkeit vor. Eine Informationsstelle werde nichts für Opfer von sexualisierter Gewalt ändern. „Dieser Antrag ist ein Deepfake von Handlungswillen und erpresst das Parlament moralisch“, sagte Behrendt und fügte hinzu: „Aber wir erkennen den Fake und lassen uns auch nicht erpressen.“

Sextortion und Revenge Porn 

Zu den neuen Gewaltformen gehören dem Antrag zufolge etwa sogenannte Sextortion, bei der Täter mit der Veröffentlichung von Nacktbildern drohen, oder Revenge Porn (deutsch: Racheporno), wobei intime Aufnahmen ohne die Zustimmung der Betroffenen verbreitet werden. Besonders alarmierend seien zudem sogenannte Deepfakes, heißt es im Antrag. Damit sind manipulierte Medieninhalte gemeint, bei denen künstliche Intelligenz verwendet wird, um Gesichter, Stimmen oder Bewegungen zu verändern. Auch pornografische Inhalte können damit erstellt werden.

Digitales Dilemma

Dass diese Art der sexualisierten Gewalt zum Teil nur im Internet stattfindet, ist für die Wahrnehmung der Betroffenen ein Problem, wie die Sprecherin der Fachberatungsstelle Violetta, Janna Helms, sagte: „Das Ding ist, dass viele Betroffene von sexualisierter Gewalt mittels digitaler Medien es tatsächlich nicht so als Gewalt wahrnehmen.“

Für Betroffene sei es ein schwerer Kontrollverlust, dass Bilder und Videos einfach im Internet versendet werden können, sagte die Violetta-Sprecherin. Dadurch könnten sie zum Teil nicht nachvollziehen, wo diese Bilder verbreitet würden. Auf einigen Websites gebe es zwar die Möglichkeiten, das Material wieder löschen zu lassen, das passiere aber oftmals nicht schnell genug.

LKA erfasst die Taten bisher nicht gesondert

Das Landeskriminalamt in Niedersachsen hat zur bildbasierten sexualisierten Gewalt, so die offizielle Bezeichnung im Antrag von Rot-Grün, keine Zahlen vorliegen. Solche Fälle werden bisher in der Kategorie „Erpressung auf sexueller Grundlage“ erfasst, wie eine Sprecherin sagte. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die polizeiliche Kriminalstatistik nur Fälle in Niedersachsen erfasse. Somit erschienen Fälle mit dem Tatort Internet nicht in der Statistik, „auch, wenn das Opfer in Niedersachsen zu Hause ist“.

Das Amt der Bundesregierung für die Anliegen von Betroffenen begrüßte den Vorstoß von SPD und Grünen in Niedersachsen: „Der Antrag greift akute Risiken auf, die der digitale Raum mit sich bringt.“ Von den Gefahren seien besonders Kinder und Jugendliche betroffen, denen die notwendige Kompetenz fehle, um gezielte Täuschungen zu erkennen.

Forderungen sind nicht genug

Laut der Fachberatungsstelle Violetta und dem Bundesamt für die Anliegen von Betroffenen reicht eine zentrale Informationsstelle jedoch nicht aus. Digitale sexualisierte Gewalt könne nur mit einem umfassenden Maßnahmenpaket bekämpft werden. Dazu gehörten etwa spezialisierte Ermittlungsbehörden, Präventionsarbeit in Schulen und mit Eltern sowie eine klare Verantwortung von Online-Anbietern durch gesetzliche Rahmenbedingungen.

Gleichzeitig sei es wichtig, bestehende Beratungsstellen nachhaltig zu finanzieren und auszubauen, um auf ihre langjährige Expertise zurückgreifen zu können. Darüber hinaus müsse stärker hinterfragt werden, welche Rolle staatliche Kontrolle und schnelle Reaktionen von Plattformbetreibern spielen, um Betroffene besser zu schützen.